Der Erlenhof im Oderbruch
Nach Jahrzehnten in Berlin und einer Suche nach ein wenig Abgeschiedenheit, Ursprünglichkeit und mehr Naturnähe entdeckten mein Mann und ich Mitte der 90-er Jahre das Oderbruch. Die Weite und Ruhe dieser einmaligen Kulturlandschaft hielt uns von diesem Zeitpunkt an in ihrem Bann und wurde für uns Heimat.
Wir erwarben ein kleines Bahnwärterhäuschen und verbrachten ab 1997 jedes Wochenende dort. Unser kleiner „Ruhepol im Oderbruch“ wurde ein Schmuckstück und es fiel immer schwerer nach einem Wochenende wieder in das Getümmel einer Großstadt einzutauchen um dort dem notwendigen Broterwerb nachzugehen.
So wuchs die Entscheidung heran eine Familiensituation zu schaffen, in der mehrere Generationen gemeinsam leben können. Ende 2003 erwarben wir das große Grundstück in Kienitz Nord. Es liegt versteckt hinter einem kleinen Wäldchen, mit Naturteich und ist umgeben von Feldern und Wiesen. Es bot uns die optimalen Bedingungen für zwei Familien. Das waren anfangs für uns das Blockhaus nur am Wochenende und ein konventionelles Steinhaus für meine Eltern, die ihren Wohnsitz von Baden-Württemberg ins Oderbruch verlegten. Auch meine Schwiegermutter zog 2004 aus Süddeutschland nach Brandenburg in unser Bahnwärterhäuschen in Sietzing.
Es war geplant alles gemeinsam zu bewirtschaften und füreinander zu sorgen. Mein Mann und ich wollten im Ruhestand unsere Wohnung in der Stadt aufgeben und ganz aufs Land ziehen. Falls eine Situation eintreten sollte die Pflege erfordere, erklärte ich mich bereit, dies dann zu tun. Mein Beruf als Kinderkrankenschwester in der Klinik war zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr eine erfüllende und befriedigende Tätigkeit für mich gewesen.
Im Mai 2006 erwarben wir unsere ersten 6 Schafe. Skudden – eine alte Rasse die vom Aussterben bedroht ist. Anfangs war dabei nur der Gedanke ein paar lebendige „Rasenmäher“ zu haben. Jedoch war dies wohl der Grundstein für den Erlenhof im Oderbruch. Ich erinnerte mich wieder an meine Strickleidenschaft, die Jahrzehnte brach gelegen hatte. Da wir nun Schafe hatten, die geschoren werden mussten, erlernte ich auch das Spinnen am Spinnrad. Ich lud Frauen ein zum Kaffeeklatsch, später auch zur Strickrunde „2 rechts, 2 links, 2 fallen lassen“. Mein Wunsch war es die Menschen hier näher kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen.
Schneller als gedacht erforderte es 2006 der Gesundheitszustand meines Vaters, dass ich meinen Beruf aufgab und ganz auf den Erlenhof zog. Nun wollte ich mir eine neue berufliche Perspektive schaffen. Ich meldete im Jahr darauf ein Gewerbe an, richtete mir den kleinen Hofladen ein wo ich die gesponnene Wolle, die gestrickten Socken, meine Marmeladen, den Sirup und mehr anbot. Ich begann vorsichtig zu werben.
Die Besucher kamen anfangs nur sehr zögerlich, manche kamen wieder und empfahlen den Erlenhof weiter. Ich wurde gefragt nach Kaffee und Kuchen und ob es Übernachtungsmöglichkeiten gäbe. Das Gelände sei ja so schön und großzügig, da könne man sicher ein tolles Hoffest feiern usw.
„Rund ums Schaf“ wurde zu meinem Motto und auf der Suche zum Thema Schaf entdeckten wir die Schäferwagen. Ende 2008 kam der erste auf den Erlenhof. Im darauffolgenden Jahr dann einige Übernachtungen, Ende des Jahres der zweite Schäferwagen. Überall „lungert“ nun ein Schaf, ob als Kuscheltier, auf der Bettwäsche, auf dem Glas, in der Dusche oder halt blökend auf der Weide. Die Idee ging auf, die Gäste waren angetan von den Wägen, den Schafen, dem Hof, den liebevollen Details, der Ruhe, der Schönheit der Natur, der Weite des Oderbruchs.
Im Jahr 2009 wurde das erste Mal geschlachtet und nun gab es im Hofladen nicht nur Wolle und Gestricktes, Fruchtaufstriche und Schafmilchseifen, sondern auch Fleisch und Wurst. Inzwischen ist das Angebot im Hofladen erweitert, Schwerpunkt ist aber nach wie vor alles „Rund ums Schaf“.
Wir feierten das erste Lämmerfest, das Hoffest und ein Erntedankfest. Das alles ging nur mit dem Einsatz der ganzen Familie, dem kleinen Mitarbeiterkreis und der Hilfe von lieben Freunden.
Unsere Schäferwagenflotte ist inzwischen auf 6 angewachsen, davon 2 historische Wagen. Eine Blockhütte in der auch eine Familie Platz findet ist im Laufe der Jahre hinzugekommen und im Haus ist noch ein großes Zimmer, das jedoch nur noch für unsere privaten Gäste zur Verfügung steht. Maximal finden auf dem Hof 15 Gäste einen Schlafplatz, wenn alle Betten belegt werden können. Mehr wird es nicht werden, denn der Aufenthaltsraum im Blockhaus kann nicht mehr Gäste aufnehmen, die Grillkota ist ausgelegt für 12 – 14 Personen, diente in den ersten Jahren aber gegebenenfalls auch mal als Notquartier.
Es soll überschaubar und familiär bleiben. Eine Erweiterung ist nicht geplant, es wird nur an den Feinheiten gearbeitet. Eine Besonderheit gibt es allerdings noch: die Unterkünfte sind medienfrei. Fernseher und Radio sucht man in der Blockhütte und in den Wägen also vergebens.
Von vielen Besuchern höre ich, dass es gut tue, etwas Ballast abzuwerfen, sich auf weniger zu konzentrieren. Zu erspüren und zu erfahren wie viel oder wie wenig man tatsächlich benötigt. Dafür Sinneseindrücke aufnehmen zu können, die im Alltag oder in der Stadt sonst nicht vorkommen. Vielleicht beim Spinnen zuschauen oder es auch mal selber zu versuchen, stricken oder häkeln zu lernen oder hierfür Tipps zu bekommen. Die Tiere zu beobachten, ob auf der Weide „Schafkino“ oder dem Feld die Rehe, den Sonnenuntergang genießen. Einfach die Seele baumeln lassen.
Im Sommercafé gibt es am Wochenende selbstgebackenen Kuchen, solange der Vorrat reicht. Nicht nur Kaffee und Kuchen, auch ein Eis oder am Abend ein Gläschen Wein unter dem sommerlichen Sternenhimmel sind hier ein Genuss. Viele stellen sich hierfür Tisch und Stühle direkt an die Schafweide.
Und wenn es kühler sein sollte ist es für die Gäste einen Versuch wert, einmal sein Holz selber zu hacken und zu schauen ob man an der kleinen Feuerstelle oder in der Grillkota, ein Feuerchen in Gang bekommt. Falls das nicht auf Anhieb klappt kommt mein Mann gern zur Unterstützung.
Ganz wichtiger Bestandteil des Urlaubs ist für die allermeisten das Fahrradfahren im flachen Oderbruch. Wer kein eigenes Rad dabei hat kann sich eines bei uns ausleihen oder probiert es einmal mit einem E-bike oder dem Lastenrad. Unser Fahrradverleih wird seit Jahren nicht nur von unseren Gästen sehr gut angenommen.
Die Pandemie hat im letzten Jahr auch bei uns vieles verändert, aber der Zustrom der Gäste ist ungebrochen, sogar deutlich angewachsen. Mein Mann und ich hoffen, dass wir den Betrieb noch lange werden so führen können.
Einige Veränderungen werden wir beibehalten, so manches überdenken und in vielem wünschen wir uns eine Wiederkehr der Zeit vor Corona!
Januar 2021